[Interview] Mit Autor Kai Bliesener im Gespräch

Hallo Kai,

schön das du dir Zeit, für meine Fragen nimmst. Hab mich riesig gefreut, dich auf der Frankfurter Buchmesse beim Emons Verlag zu treffen.

Du bist in 1971 in Waiblingen geboren, in Fellbach aufgewachsen. Wie lange hast du in Fellbach gelebt?

Im Prinzip habe ich dort meine ganze Kindheit und Jugend verbracht, bis mir die Welt dort zu klein wurde, ähnlich, wie meiner Protagonistin JJ. Schwarz in meinem Krimi „WEIN. BERG. TOD.“ Mit dem Unterschied, dass JJ durch die Welt gereist ist und ich es nur bis München geschafft habe, wo ich damals unbedingt etwas mit Film machen wollte. Aber das ist das Schöne, wenn man Geschichten schreibt, man kann seinen Figuren diese verpassten Chancen einfach andichten.

Hast du schon früh, das Lesen für dich entdeckt?

Definitiv ja. Gelesen habe ich schon immer, eigentlich, seit ich denken kann. Die drei Fragezeichen und all so Zeug. Später habe ich dann die James-Bond-Romane von Ian Fleming verschlungen, später John Grisham und Stephen King entdeckt. Und heute lese ich querbeet. Alles, was mich interessiert, landet auf dem Bücherstapel der Bücher, die ich lesen will. Und der wächst stetig. Aber auch schon früh hat für mich die Lektüre der Tageszeitung dazugehört, die bei uns oder den Großeltern immer rumlag. Auch heute bin ich noch passionierter Zeitungsleser. Die morgendliche Lektüre gehört wie ein starker, schwarzer Kaffee zum Start in den Tag. Ohne, fehlt irgendwas.

Wie kamst du zum Schreiben?

Auch geschrieben habe ich schon immer. Von Filmkritiken für die Schülerzeitung über Kurzgeschichten. Meine besten Noten habe ich für meine Aufsätze bekommen. Die haben mich meist gerettet. Geschichte, Gemeinschaftskunde, Sport und Kunst, das waren meine Fächer.  Während alles Naturwissenschaftliche eine einzige Katastrophe war. Das hat sich auch in den Noten gezeigt. Aber da hab ich bis heute einen Knoten im Kopf. Ich bewundere Menschen, die so Zeug verstehen, bin aber froh, dass ich damit nicht allzuoft konfrontiert werde.

Gab es einen Schriftsteller oder Schriftstellerin, die du besonders gern gelesen hast oder immer noch liest?

Naja, der Geschmack und das Interesse haben sich natürlich verändert. John le Carre ist ein Autor, der mich schon ewig begleitet, einfach auch deshalb, weil ich ein Faible für Agentenstorys und die Zeit des Kalten Kriegs habe. Allerdings habe ich früher siche die elegante Sprache und die Vielschichtigkeit seiner Bücher nicht erkannt. Deshalb macht es große Freude, diesen Autor immer wieder zu lesen. Ken Follett habe ich schon früh gelesen und mache es auch heute hin und wieder. Aber ich habe mich auch schon immer wieder gerne an modernen Klassikern probiert. Dazu gehören Hermann Hesse genauso wie Max Frisch, Thomas, Klaus und Heinrich Mann oder Günter Grass. Und natürlich auch Erich Kästner. War es früher „Emil und die Detektive“, ist es heute eben sein grandioser Roman „Der Gang vor die Hunde“ (Fabian).

Das „Hotel Silber – Neue Zeit, Alte Schuld “ ist ein sehr intensiver Kriminalroman. Wann kam dir die Idee zum Buch?

Als ich im Hotel Silber war. Heute ist dort zum Glück ein Erinnerungsort mit Museum untergebracht, der an das Grauen erinnert, das in diesem Ort Menschen zugefügt worden ist. Eigentlich hätte dort ein weiteres Einkaufszentrum entstehen sollen. Läden dort, wo gefoltert und gemordet wurde. Ich bin froh, dass das durch das Engagement der Initiative Hotel Silber verhindert werden konnte. Tja, und als ich in der Ausstellung war, hat es mich gepackt und ich wusste, hier gibt es so viel Geschichte und so viele Schicksale und Geschichten, darüber muss ich erzählen.

Wo begann deine Recherche und wie lange hast du dafür benötigt?

Alles in allem hat es gut zwei Jahre gedauert, von der Initialzündung der Idee bis zum fertigen Manuskript. Und die Recherche begann dort, wo auch die Geschichte ihren Dreh- und Angelpunkt hat: im Hotel Silber.

Was muss man, bei einer Recherche zu einem Buch beachten?

Als Autor einer fiktionalen Geschichte hat man ja grundsätzlich viele Freiheiten. Erzählt man aber entlang realer Orte, Ereignisse oder Personen, sollte man schon genau und akribisch arbeiten. Ich hatte das Glück, dass sowohl von der Initiative Hotel Silber, dem Haus der Geschichte Baden-Württemberg, dem Stadtarchiv und dem Archiv der Stuttgarter Zeitung alle auftauchenden Fragen beantwortet wurden und ich auch jede Menge Unterlagen bekommen habe oder einsehen konnte. Darunter auch Originalakten zu den Fällen, die in meinem Buch behandelt werden.

Gibt es Tipps, die du anderen Autorinnen und Autoren mitgeben kannst?

Gerade bei Romanen, die sich an historische Begebenheiten anlehnen, sollte der Rahmen und sollten wichtige Details stimmen. Also heißt das, viel lesen und eben eintauchen in die Zeit, über die man erzählt. Die Zeit des Kriegs und danach habe ich ja selbst nicht erlebt. Aber viele, die diese Zeit noch erleben mussten, haben mir nach der Lektüre bescheinigt, ich hätte das gut eingefangen und beschrieben. Und an Stellen, wo ich nichts finden konnte, habe ich bewusste Leerstellen gelassen. Zum Beispiel gibt es kaum Material zur Einrichtung der Büros im Hotel Silber zu der Zeit. Deshalb habe ich die Beschreibungen weitgehend ausgespart.

Dein Schreibstil nimmt einen für die Geschichte ein. Man spürt die Pein, aber auch das Hoffen und Bangen. Kann sich die Personen vorstellen. Sieht fast bildlich, wie es in den Räumen und in der Stadt aussah. Das ist großartig.

Danke. Das freut mich und ist ein riesiges Kompliment. Das ist natürlich der Wunsch eines Autors und das Ziel. Die Leser:innen sollen sich mit den Figuren identifizieren, mit ihnen leiden und fühlen, in der Geschichte aufgehen. Wenn das gelungen ist, ist das großartig und genau das, warum ich so gerne lese.

Wie war die Resonanz zum Buch?

Extrem positiv bisher. Es scheint, als hätte ich mit der Geschichte, die sich ja an die realen Fälle der Else Josenhans und ihrer Familie und dem von Samuel Danziger anlehnt, einen Triggerpunkt erwischt. Ich bekomme viele Reaktionen und Zuschriften von jungen und älteren Menschen, die völlig perplex sind, was damals hier geschehen ist. Der Effekt verstärkt sich, wenn jemand in der Gegend lebt oder sie kennt, an denen die Handlung spielt. Aber das eigentliche Grauen liegt ja darin, dass es ein Hotel Silber in vielen Städten gegeben hat.

Möchtest du noch weitere Bücher, die in der Nachkriegszeit spielen, schreiben?

Ja, es wird einen weiteren Band rund um das Hotel Silber geben. Dann sieht man weiter. Für weitere Bände würde es mehr als genügen Erzählstoff geben. Wobei ich gestehen muss, gar kein großer Anhänger von Serien zu sein. Mir geht es meist so, dass es auf mich nach dem dritten Band oder Staffel nur wie ein ewig neuer Aufguss wirkt. Anders vielleicht bei Wolfgang Schorlau, da er seinen „Ermittler Dengler“ immer mit aktuellen Themen konfrontiert. Oder Henning Mankells „Kommissar Wallander“. Hier haben sich wirklich auch die Figuren entwickelt und nicht nur stoisch neue Fälle gelöst. Ähnlich auch bei der Serie um Harry Bosch von Michael Connelly. Spannender als Serien finde ich, wenn Figuren immer wieder auftauchen, so wie es John le Carre mit seinem „George Smiley“ gemacht hat.

Neben deiner Presse und Öffentlichkeitsarbeit für das Theaterhaus Stuttgart, die dich sicher sehr einnimmt, wie sieht dein Schreiballtag aus?

Durch die Arbeit im Kulturbereich, habe ich das Glück und muss nicht um acht an einem Schreibtisch sitzen. Ich mache es trotzdem, aber eben daheim. Meist von spätestens sieben in der Früh bis in den Vormittag wird recherchiert, strukturiert und geschrieben. Einen festen Tagesablauf gibt es allerdings nicht.

Was brauchst du zum Ausgleich? Was hilft dir durchzuatmen? Aus dem Alltag zu flüchten, falls du das überhaupt musst.

Ein guter Filme, ein gutes Album oder Buch, Konzerte, Theater, Ausstellungen besuchen, das ist meine Ablenkung. Ansonsten Ruhe, Berge oder ein leckeres Essen und einen guten Wein. Aber auch Freunde treffen oder eine Wanderung. Das entspannt und inspiriert zugleich

Du machst Lesungen rund um Stuttgart. Wann kann man dir das nächste Mal lauschen?

Ab 13. Februar startet die Lesetour 2025 im Kulturhaus Schwanen in Waiblingen und die geht schon jetzt mit Terminen bis in den November. Dort begleitet mich auch wieder Michael Moravek mit seinen emotionalen Liedern, die so wunderbar zum Buch passen. Ein besonderer Abend, den man nicht verpassen sollte.

Vielen Dank für deine kostbare Zeit.

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Meine Rezension zu „Hotel Silber – Neue Zeit, Alte Schuld“ aus dem Emons Verlag:

Rezension-675-hotel-silber-neue-zeit-alte-schuld-von-kai-bliesener-aus-dem-emons-verlag/