Lieber Herr Steinhöfel,
Sie sind vielbeschäftigt und sicher gerade an einem neuen Projekt. Umso dankbarer bin ich, dass Sie sich die Zeit nehmen, um mir einige Fragen zu beantworten.
Unsere Tochter Lisa las „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ in der Schule.
Sie mochte es sehr gerne.
Mir gefällt es sehr, dass die zwei Jungs sich so wunderbar ergänzen.
Es ist eine außergewöhnliche und sehr starke Freundschaft.
Wie freute ich mich da, Sie auf der Frankfurter Buchmesse 2023 zu sehen und auch mit Ihnen sprechen zu können. Sie sind sehr sympathisch und deshalb fasste ich den Mut, nach einem Interview zu fragen.
Hier nun meine brennendsten Fragen:
Haben Sie viele positive Rückmeldungen zu „Rico und Oskar“ von Kindern und deren Eltern bekommen?
Viele. Und dann nochmal viele und nochmal viele, es hört nicht auf. Der Erfolg der Serie freut mich maßlos, ich bin dafür sehr dankbar! Zu Rico schreiben mir Kinder aus allen Schulformen am häufigsten: „Endlich ist da mal einer, der so denkt und so fühlt wie ich.“ Und die meisten Eltern bedanken sich dafür, dass sie endlich störungsfrei in die Ferien fahren können, weil die ganze Familie sich gemeinsam über die Hörbücher scheckig lacht.
Was war die Inspiration für die zwei Hauptcharaktere?
Die Idee zu den Tieferschatten kam mir, nachdem ich einen Zeitungsartikel über Hochbegabte gelesen hatte. Weshalb ich die Geschichte aus der Perspektive von Oskar begann. Und weil Gegensatzpaare so prima funktionieren, erfand ich Rico dazu. Es stellte sich dann aber schnell heraus, dass Rico da nur der Doofe war, der die Stichworte für die Gags gab. Also hab ich’s umgekehrt: Um zu zeigen, wie jemand sich fühlt, den fast alle für dumm halten, obwohl sein einziges Problem ist, dass er manchmal nicht geradeaus denken kann.
Sie sind ja sehr vielseitig unterwegs. Neben der Kinder- und Jugendbuch Literatur, sind sie auch Drehbuchautor und Übersetzer. Bleibt da noch Zeit für sich?
Jede Menge. Tatsächlich schreibe ich die wenigste Zeit. Ich überlege sehr lange, bastele die Geschichten zurecht, mache Notizen, setze Ideen aneinander, verwerfe sie wieder … Das kann ewig dauern. Wenn ich dann endlich schreibe, geht es in der Regel sehr schnell.
Sie sind mit 2 Brüdern aufgewachsen, gab es viele Jungenstreiche die ihr Anderen gespielt habt?
Nein. Mein Bruder Dirk ist zwei Jahre, Björn zwölf Jahre jünger als ich. Mit Dirk war ich nicht viel unterwegs – er war gern zu Hause, wo er malte und bastelte. Ich war eher draußen unterwegs, sehr gerne allein. Keine Streiche. Das verbot sich mir irgendwie – ich mochte es nicht, selbst Zielscheibe zu sein, also nahm ich mir auch andere nicht zur Zielscheibe.
Rund um Biedenkopf ist es sehr grün. Sind Sie gerne in der Natur unterwegs?
Das war sogar (neben der Nähe zur Familie, also Mutter und Brüdern) der eigentliche Grund dafür, von Berlin zurück aufs Land zu ziehen. Mir fehlte in Berlin die Natur, das war wirklich nervig. In Biedenkopf bin ich jeden Tag draußen unterwegs, immer mit meinem Hund. Mein Haus steht am Waldrand, wenn man will, steckt man in fünf Minuten im tiefsten Dickicht.
Welches Märchen der Gebrüder Grimm hat sie als Kind besonders fasziniert? Wollten Sie deshalb Autor werden?
Meine Mutter hat uns Grimms Märchen zum Einschlafen vorgelesen. Ich mochte sie alle, am liebsten aber, meine ich mich zu erinnern, den Froschkönig. Habe aber noch nie was mit verzauberten Prinzen in der Hauptrolle geschrieben.
Wieso haben Sie sich, gegen das Lehramt entschieden?
Ich hatte die Befürchtung, auf zwischenmenschlicher Ebene womöglich nicht mit Kindern, vor allem aber mit Jugendlichen klar zu kommen. Nicht wirklich für sie da sein zu können, wenn sie andere als schulische Probleme hatten. Heute sehe ich das anders – ich hätte das hingekriegt –, aber damals fühlte es sich anders an.
Was lernt man bei Anglistik und Amerikanistik?
Man verschafft sich einen Überblick über die angelsächsische Literatur, über die geschichtlichen und kulturellen Hintergründe ihrer Entstehung, auch ihrer philosophischen Auswirkungen: Wie weit, wie tief greifen die Geschichten, die wir lesen, ins Leben von uns Menschen hinein? Was macht ein Text mit mir, nachdem ich ihn gelesen habe? Bestätigt er meine Weltsicht? Erweitert er, verändert er sie? Wenn ja: Wie gelingt ihm das?
Persönlich finde ich Berlin toll. Unter den Linden. Café Einstein, die Flohmärkte und den Alexanderplatz. Sie sind nach 20 Jahren wieder nach Biedenkopf gezogen. Was war der Auslöser?
Der Tod meines Lebensgefährten. Berlin war mir danach emotional zu sehr besetzt, an allen Ecken und Enden.
Gibt es ein Buch, dass es nie zur Veröffentlichung geschafft hat?
Es gibt zwei seit Langem unfertige Bücher. Doch die würden, sollte ich sie je endlich fertigstellen, auf jeden Fall veröffentlicht.
Wie lange schreiben Sie schon?
Seit über 30 Jahren. Dirk und ich, das erste Buch, erschien 1991, geschrieben hatte ich es im Jahr zuvor.
Gibt es etwas, ohne dass sie nicht schreiben können? Ein Ritual, einen Gegenstand?
Nein. Was ich allerdings zum Schreiben immer brauche, ist mein Schreibtisch. Ich kriege unterwegs keine Zeile in den Laptop oder zu Papier. Ideen, die mir zwischendrin irgendwo kommen, spreche ich mir einfach rasch aufs Handy.
Wie sieht ihr Tagesablauf aus, wenn Sie schreiben?
Langweilig: Aufstehen, frühstücken, losschreiben. Mit dem Hund losziehen. Mittagessen, Nickerchen. Wieder Schreibtisch: Post beantworten, Vereinsangelegenheiten regeln (ich bin in vielen Vereinen aktiv) und den Ruhm verwalten J. Abends fernsehen oder lesen oder Freunde treffen.
Wie geht man als angehender Autor mit Ablehnung um? Können Sie Tipps geben?
Man sollte Kritik an einem Text nie persönlich nehmen. Fundierte Kritik ist immer etwas Gutes, denn sie zeigt auf, was man besser machen könnte – vielleicht, damit ein Text gefühlvoller wird, nachvollziehbarer oder einfach unterhaltsamer. Kritik, die nur darauf aus ist, den Kritiker ins rechte Licht zu setzen, ist unbrauchbar.
Es war mir eine Freude und Ehre Sie interviewen zu dürfen. Herzlichen Dank für Ihre kostbare Zeit, Ihre Antworten und die Einblicke, die Sie uns gewährt haben.