1. Kinder als Publikum, sagt man, sind eine ganz besondere Herausforderung. Worin liegt die Herausforderung, Bücher für Kinder zu machen?
Die Herausforderung besteht darin, es trotz der schnelllebigen Zeit zu schaffen, die Kinder zu fesseln. In andere Welten zu entführen und das ganz ohne Computer. Sie vom Stress des Alltags, der beginnt meiner Meinung schon im Kindergarten, ein wenig abzulenken. Natürlich ist es Wichtig Regeln zu lernen, aber der dauernde Kampf um Freundschaft, Anerkennung und das geliebte Spielzeug ist Anstrengung pur. Mit einem Buch können sie sich treiben lassen, auch mal die Welt ausblenden. Außerdem sind sie in ihrer Ehrlichkeit zu viel härterer Kritik fähig. Man kann es an ihren Gesichtern ablesen, ob es gefällt oder nicht. Erwachsene sind in dieser Hinsicht gute Schauspieler, obwohl es auch hier Menschen gibt die mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg halten.
2. Wie wichtig ist das Buch – gerade für die junge Generation – in einer durchdigitalisierten Welt?
Ein Buch aus Papier, sei es Hardcover oder Taschenbuch, hat seinen eigenen Charme. Es kann gefühlt und erlebt werden. Natürlich ist es auch möglich in einem eBook Reader vor oder zurückzublättern. Aber es ist nicht dasselbe. Bilder in Büchern, werden intensiver wahrgenommen. Können lange betrachtet werden, ohne das der Akku irgendwann leer ist. Bei Band 3 der Krümelchen Reihe, sind meine Verlegerin und ich dazu übergegangen, den Kindern Illustrationen zum Ausmalen anzubieten, was das Erleben nochmals intensiviert. Ein Buch kann man mitnehmen, es lesen egal wo. Sogar im Zelt beim Campen, oder am Lagerfeuer. Strom ist nicht nötig, um zum Pirat, Abenteurer, Entdecker oder Erforscher zu werden.
3. Nicht nur durch die englische Übersetzung, sondern auch durch das neue Thema, ist die Geschichte rund um das „Krümelchen“ internationalisiert. Wie kam es zu der Idee, die drei besonderen Freunde auf „Weltreise“ zu schicken? Wohin kommen sie überall?
Schon kurz nach meiner Einschulung konnte ich sehr gut lesen. Ich verschlang Bücher und lernte so, zwar auf dem Papier, andere Länder kennen. Unser Haus in Ravensburg – Weststadt war unsere Heimat und wir liebten es im Garten herumzuspringen. Wir fuhren in den Ferien mit dem Auto weg. Frankreich, Österreich, Schweiz, Italien und die Nordsee waren unsere Reiseziele. Oft schlenderten wir am Bodensee auf der Promenade umher. Genossen ein Eis und die Sonne. Meine Tante, von der mir von meinem Vater erzählt wurde, war 1960 nach Australien gefahren, zu damaliger Zeit noch mit einem Schiff. Sie hatte das Reisefieber gepackt. Ich habe nur ein Foto von ihr, mit einem Koala auf dem Arm. Meine Reaktion auf das Bild und die Tasche die ich vor Jahren von meinem Vater erhielt, sie hatte sie aus Australien mitgebracht, war das ich auch die Welt sehen wollte. Mit meinem Mann reiste ich ab 1995 gern und viel. Irland und Australien waren wunderbar. Als unsere Tochter geboren wurde, kamen die Ukraine, Tschechien, Belgien, Luxemburg, Türkei und auch Ägypten dazu. Kurz vor der Einschulung von Lisa 2011 reiste ich mit meiner Freundin Uta für zwei Wochen nach Indien. Es ist faszinierend, andere Kulturen kennenzulernen.
Genau das möchte ich, gerade weil es mir so viel bedeutet, auch den Kindern in meinen Geschichten eröffnen. Welche Orte, Länder, Kontinente in den Büchern auftauchen werden weiß ich noch nicht. Die drei Freunde haben auch in der Hinsicht, ihren ganz eigenen Kopf.
Band 1 ins Englische zu übersetzen, war ein lang gehegter Wunsch, den mir mein guter Freund, Lektor und Layouter Sascha Schröder in vielen Stunden erfüllte. Auch das Wien Band das im „Karina Verlag“ in Wien erschien, wurde übersetzt. Genau wie das deutsche Buch „Krümelchen und seine Freunde in Wien“ kam der Erlös ganz den Kindern zu Gute.
https://bettinalippenberger.wordpress.com/2015/06/02/mein-verlag-karina-verlag-wien-anthologien-fur-den-guten-zweck/
4. Kann das Buch – in einer Welt, die sich aktuell mit Vehemenz einer Abschottung vor dem Fremden zuwendet – ein Brückenschlag, ein Augenöffnen, ein Herzöffner sein? Oder ein Spiegel dessen, was den Geist des Kindes auszeichnet: unendliche Kreativität und unvoreingenommene zwischenmenschliche Begegnungen?
In meinen Geschichten war es mir schon immer ein Bedürfnis Brücken zu schlagen. Verschiedene Wesen interagieren miteinander. Es gibt natürlich auch mal Tiere oder Wesen die nicht so freundlich gesinnt sind, aber alles in allem ist der Zusammenhalt, auch gerade wegen der Andersartigkeit ein sehr spannendes Erzählinstrument und Thema. Kein Kind sollte hören müssen, dass es etwas nicht könne, bevor es das nicht selbst ausprobiert hat. Jedes Kind wächst doch an diesen Herausforderungen. Auch wenn es mal nicht klappt, sollte man das Kind bestärken es nochmals zu versuchen. Nicht aufzugeben. Die richtig dosierte Motivation ist in diesen Momenten sehr Wichtig. Um Lösungen zu finden, ist eine unendliche Kreativität die Kinder zu eigen ist, von nutzen. Sie denken nicht lange nach. Tun einfach das was sie gerade für Richtig erachten. Auch wenn wir Eltern die Hände über den Kopf zusammenschlagen. Genau so sind auch Krümelchen, Fusselchen und Flöckchen. Sie testen aus, versuchen alles um die Hürde zu überwinden. Kinder erkennen sich darin wieder. Sie haben keine Berührungsängste. Ob der Freund in Kindergarten oder Schule nun aus Afrika, Vietnam, Ägypten oder woher auch immer kommt, interessiert sie nicht. In erster Linie sind es Freunde zum Spielen. Deshalb gibt es auch bei „Krümelchen und seinen Freunden“ ganz verschiedene Charaktere.
5. Welche Rolle spielen Freundschaft und Zusammenhalt in den Geschichten? Was erwartet das Publikum der Krümelchen-Abenteuer?
Eine große Rolle! Denn ohne die empfundene Freundschaft zwischen den drei Freunden und den Zusammenhalt würde manches Abenteuer, nicht so glimpflich ausgehen. Krümelchen und seine Freunde zeigen aber auch einen Weg auf, sich seinen Gefühlen und Ängsten zu stellen. Sie lernen das dumme Gefühle der Eifersucht kennen, dass sogar eine Freundschaft wie die ihre ins Wanken bringt. In solchen Situationen benutze ich dann gerne einen Vermittler, der hilft den drei Freunden verständlich zu machen, warum das sich gerade so komisch anfühlt.
Es sind Geschichten rund um das Abenteuer des Lebens. Wie drei kleine Freunde die Welt entdecken, an jedem Abenteuer wachsen, helfen wo sie können und auch mal in Gefahr geraten. Sie sind sehr klein, finden mit Köpfchen und Geschick Problemlösungen, haben Spaß und reisen auch mal auf einem Blatt oder dem Rücken eines Schmetterlings.
6. Warum ist Lesen für Kinder wichtig?
Weil es oft vorkommt das durch Whats app, Facebook und dergleichen keine richtigen Gespräche mehr geführt werden. Es gehen Wörter verloren und auch manche der Ausdrucksweisen sind gewöhnungsbedürftig. Beim Lesen wird der fehlende Wortschatz aufgefüllt. Neues erlernt. Selbst ich in meinem fortgeschrittenen Alter kenne noch lange nicht alle Wörter.
7. Ein neuer Titel wartet darauf, dass Licht der Welt zu erblicken „Muridae – Mein Leben als Maus“ – Was steckt dahinter? Worum geht’s? Worauf kann man sich dabei freuen? Eine neue Serie etwa?
„Muridae – Mein Leben als Maus“ entstand als ich am Stuttgarter Hauptbahnhof auf die Ankunft meines Zuges wartete. Tatsächlich beobachtete ich dort eine Maus. In den Geschichten geht es darum, dass genau wie ich, sich ein Mädchen Gedanken macht, was eine Maus auf dem Hauptbahnhof, zwischen den Menschen und Gleisen erleben könnte. Sie taucht also in diese Welt ein. Wird Teil der Mäusefamilie. Sie fühlt sich erst fremd. Doch in der Gefahr, wird jede Maus gebraucht.
Es ist ein abgeschlossenes Buch. Eine Serie plane ich bisher damit nicht.
8. Was würdest du dir von der Welt wünschen?
Ich wünsche mir das die Welt nicht mehr so verrückt spielt. Etwas Ruhe einkehrt. Dass Menschen die in Angst leben, ihren Frieden wiederfinden. Sie in ihren vier Wänden wieder sicher leben können. Kinder auf den Straßen spielen und Erwachsene bei guten Gesprächen aller Ortens vor ihren Häusern sitzen oder im Café. Ja auch wenn das abgedroschen klingt: wünsche ich mir Frieden auf der Welt, für alle Menschen. Leider wird es immer diejenigen geben, die mit Frieden nichts anfangen können. Darüber bin ich traurig.
Das Interview mit Bildern findet ihr unter:
https://klausoberraunerblog.wordpress.com/2016/11/01/mit-einem-buch-koennen-sie-die-welt-ausblenden/